Persönlichkeitsentwicklung in der Pflege

Silke Wüstholz ist Einzel- und Team-Coach für Mitarbeitende im Gesundheitswesen mit dem Schwerpunktthema Burnoutprävention, Stressbewältigung und Kommunikation.

Im Interview mit Stefanie Roloff vom Deutschen Pflegeportal verrät sie, wie Persönlichkeitsentwicklung im Pflegeberuf möglich ist.

Was halten Sie allgemein vom Trend der Selbstoptimierung?

Silke Wüstholz: Die Bezeichnung „Trend“ trifft es gut. Die Frage ist doch, was genau soll optimiert werden und was ist das Ziel der Optimierung? Sollen die Menschen dadurch noch besser funktionieren? Leistungsfähiger werden? Aus meiner Sicht ist es wichtiger, dass die Menschen weniger in Optimalen denken, sondern mehr in menschlichen Kategorien. Was tut mir wirklich gut? Was hält mich körperlich, psychisch und seelisch gesund? Und letztendlich, was tut der Gesellschaft gut? Man muss nicht alle Trends mitmachen.

Wie können Pflegekräfte gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie neuen Mut in ihrem Beruf schöpfen?

Wüstholz: Ich befürchte, dass die Pflegefachpersonen momentan ihre ganze Energie vor allem dafür benötigen, all die Aufgaben zu bewältigen, denen sie täglich vor Ort ausgesetzt sind und eher im „Überlebensmodus“ sind.

Zur Zeit ist wichtig, dass Pflegende jeden Tag Dinge tun, die ihnen gut tun und Energie geben. Neuen Mut für den Beruf schöpfen, das wird erst dann wieder möglich sein, wenn wir aus dem Krisenmodus draußen sind. Dazu wird es sicher notwendig sein, sich als Berufsgruppe besser zu solidarisieren, sich berufspolitisch zu engagieren. Mut machen wird die weitere Akademisierung des Pflegeberufes und die generalistische Ausbildung, da beides den Beruf aufwertet.

Sobald die Energie neu geschöpft ist, muss der Fokus auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen in der Pflege gelegt werden. Denn, wenn die beruflich Pflegenden die ihnen anvertrauten Menschen gut versorgen können, ohne täglich mit einem schlechten Gewissen oder völlig erschöpft nach Hause zu gehen, haben sie auch wieder Lust und Freude an ihrem Beruf.

Wie kann ich mich mit meiner Persönlichkeit im Pflegealltag einbringen?

Wüstholz: Um sich im hochkomplexen beruflichen Pflegealltag gut und nachhaltig einzubringen, ist es sehr wichtig, sich seiner großen Expertise bewusst zu sein. Eine Pflegefachperson verfügt über eine enorm hohe fachliche und menschliche Qualifikation. Oftmals ist ihr selbst dieser Wert nicht bewusst. Gerade dann ist die Persönlichkeitsentwicklung ein sehr gutes Instrument, die eigene Haltung zu reflektieren und zu verändern. Eine selbstbewusste Pflegeperson kann ganz anders auftreten als eine, die sich ihres Wertes nicht bewusst ist. Das wiederum führt zu mehr Selbstwirksamkeit, was in der Folge die Zufriedenheit und die Lust am Beruf steigert.

Leider wurde in der Vergangenheit das Feld der Selbstentwicklung für Pflegefachpersonen in vielen Kliniken und Pflegeheimen vernachlässigt. Das rächt sich zur Zeit, da viele beruflich Pflegende den Beruf verlassen – und durch die Pandemie werden es noch mehr werden, die ihre Zukunft nicht mehr in der Pflege sehen. So werden viele engagierte und wertvolle menschliche Ressourcen verschwendet. Die meisten Pflegepersonen mögen ihren Beruf eigentlich sehr, die fehlende Wertschätzung und die äußeren Zwänge des Gesundheitswesens führen jedoch vielfach zur Berufsflucht.

Was hat die Persönlichkeitsentwicklung mit der fachlichen Entwicklung zu tun?

Wüstholz: Sehr viel. Wenn die Arbeitgeber ihren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit der Entwicklung bieten, steigert das zum Beispiel das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen und die Berufsfreude. Die meisten Menschen sind von Natur aus neugierig und möchten sich entwickeln. Wenn die Menschen mit ihren Fähigkeiten und Begabungen gesehen und wahrgenommen werden, werden sie ganz anders gefördert und gefordert und werden sich so wesentlich mehr einbringen. Sie werden weniger krank sein und länger im Unternehmen bleiben.

Im beruflichen Alltag wird für die Förderung und Entwicklung der Mitarbeitenden immer noch viel zu wenig Zeit eingeplant.

Wie gelingt mir ein selbstsicheres Auftreten gegenüber Vorgesetzten?

Wüstholz: Auch das hat viel damit zu tun, wie es um die Selbstwahrnehmung steht. Bin ich mir meiner Fähigkeiten bewusst? Welche Haltung habe ich zu mir selbst? Mache ich mich immer wieder klein? Habe ich problematische Glaubenssätze, die mich daran hindern, selbstsicher aufzutreten, zum Beispiel weil ich denke, ich bin nicht gut genug oder nur ein „kleines Licht"?

Ein erster Schritt in Richtung selbstsicheres Auftreten ist, entsprechende Literatur zu dem Thema zu lesen. Die Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan hat empfehlenswerte Bücher zu dem Thema geschrieben, wie man coole Sprüche trainieren oder die eigene Haltung verändern kann. Durch ihre Bücher konnte ich selbst vor Jahren viel lernen, als ich mich in meiner aktiven Zeit in der Pflege mit dem Thema auseinandersetzte.

Sich zu dem Thema „sicheres Auftreten“ oder „souveräne Kommunikation“ einen Workshop zu gönnen, ist in jedem Fall eine gute Investition. Denn oftmals ist man sich seiner eigenen Ausstrahlung und was diese bei anderen bewirkt, nicht bewusst. Schon kleine Veränderungen in der Körperhaltung und ein gutes Repertoire möglicher verbalen Reaktionen haben eine große Auswirkung.

Meine Klient*innen, die sich im Coaching auf schwierige Gespräche vorbereiten, sind immer wieder überrascht, was sie durch kleine Veränderungen ihres bisherigen Auftretens für sich erreichen konnten.

Wie kann ich zu einer guten Work-Live-Balance finden?

Wüstholz: Der erste Schritt ist eine Art Standortbestimmung. Dafür sollte man sich Zeit nehmen, um sich damit zu beschäftigen, ob man momentan noch das Leben lebt, das einem gefällt. Womit verbringe ich meine Zeit? Habe ich immer das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich nicht allen Trends folge? Kann ich Pausen aushalten? Damit meine ich Zeiten der Stille, ohne Ablenkungen von außen. In den stillen Momenten bekommt man ein Gefühl dafür, was einem wichtig ist im Leben. Wenn man für sich die eigenen Antworten gefunden hat, was einem denn gut tut, was man gerne macht, dann ist es wichtig darauf zu achten, das in den Alltag einzubauen.

Im Coaching stelle ich dazu gerne Fragen wie: „Welche Hobbys hatten Sie denn früher? Was haben Sie immer gerne gemacht und sich schon lange nicht mehr gegönnt, weil Sie zu müde waren, keine Kraft mehr hatten?“

Dann gilt es zu schauen, wie man wieder mehr von dem bekommen kann, was einem gut tut. Leider sind wir nach wie vor sehr davon geprägt, dass man ständig irgendetwas vorhaben oder zu tun haben muss. Nur wer einen vollen Terminkalender hat, scheint „richtig“ zu sein, egal ob beruflich oder privat. Man darf jedoch auch mal etwas auslassen. Das kann ein großer Gewinn sein. Natürlich sollte auch der eigene Medienkonsum kritisch unter die Lupe genommen werden. Da bleibt häufig viel Zeit auf der Strecke, die jedoch keine guten Gefühle oder echte Entspannung hinterlässt. Achtsamkeitsübungen und Meditation sind ebenfalls gute Möglichkeiten, wieder in die innere Balance zu kommen, was sich nachweislich positiv auswirkt, beruflich und privat.

Wenn man für sich bereits in einem Stadium angelangt ist, gar keine innere Ruhe und Entspannung mehr erlangen zu können, sich also häufig erschöpft fühlt, dann ist es höchste Zeit, sich professionelle Unterstützung zu nehmen. Momentan gibt es viele gute Angebote für Pflegefachpersonen, die man unbedingt nutzen sollte.

Schließlich geht es um die eigene Lebenszeit, über die man selbst verfügen darf, was jedoch bedeutet, auch die Selbstverantwortung für das eigene seelische und körperliche Wohlbefinden zu übernehmen.

Weitere Informationen über Silke Wüstholz

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