Vorlesen bei Demenz
Omas Schulweg
„Hilfe! Ich bin total kaputt.“ Claras Enkeltochter Jenny lässt sich mit einem Seufzer bei ihrer Oma in den Sessel fallen. Heute hat sie die Haare am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden, wie sie es auf einem alten Jugendfoto ihrer Großmutter gesehen hat.
Clara lächelt. Ihre Enkelin sieht ihr mittlerweile richtig ähnlich. Selbst das gestrickte Dreieckstuch, das sie so gern trug, und die runde Brille mit dem dünnen Goldrand erinnern sie an ihre eigene Jugendzeit. „Was ist denn passiert? Warum bist du so müde?“, fragt Oma Clara neugierig. „Heute ist der Bus nicht gekommen“, seufzt Jenny. „Und da musste ich das ganze Stück bis nach Hause zu Fuß laufen.“ Die Großmutter lacht. „Das ganze Stück? Das können doch höchstens zwei Kilometer sein, oder?“ „Zwei Komma drei“, verbessert Jenny. „Das ist ganz schön lang.“ „Du müsstest dir mal den Schulweg anschauen, den ich früher gegangen bin“, ruft Oma Clara. „Dann weißt du, wie ein langer Schulweg aussieht.“ „Das wäre wirklich interessant“, erwidert die Enkelin. „Ihr behauptet ja gern, dass ihr es früher viel schwerer hattet. Aber ich bin mir ganz sicher, dass dir dein Schulweg nur so lang erschienen ist, weil du so klein warst.“ „Wir werden sehen“, lächelt die Großmutter. „Ich freue mich, wenn du den Weg mit mir abgehst. Aber du musst wirklich Zeit mitbringen.“ „Okay: Am Samstag habe ich Zeit“, verspricht die Enkelin. „Da zeigst du mir mal, was du unter einem langen Schulweg verstehst.“ „Ich bin selbst gespannt“, erwidert die Großmutter …
Lesen ist eine der schönsten und zeitlosesten Freizeitbeschäftigungen für Jung und Alt. Ruhige Momente verlocken dazu, mal wieder ein Buch in die Hand zu nehmen, in Erzählungen abzutauchen, sich in andere Personen hineinzuversetzen, via Fantasie Zeitreisen zu unternehmen. Lesen bietet die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. Doch insbesondere Menschen mit Demenz bereitet das Lesen zunehmend mehr Schwierigkeiten. Buchstaben werden nicht mehr erkannt, Sätze sind häufig zu verschachtelt, die Handlung erscheint kompliziert. Da geht der Spaß am Lesen schnell verloren.
Dennoch können Menschen mit Demenz das Lesevergnügen weiterhin über das Vorlesen erleben. Das gelingt am besten mit kurzen, pointierten Geschichten, die an das Alltagsleben anknüpfen und Erinnerungen an Kindheitstage wecken, ohne dabei zu verkindlichen. Einfach formulierte Sätze, unkomplizierte Handlungsstrukturen sowie wenige agierende Personen innerhalb einer Geschichte ermöglichen auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen ohne Anstrengung die Inhalte nachzuvollziehen und in Erinnerungen zu schwelgen. So bleibt die Freude am (Vor-)lesen trotz Demenz lange erhalten.
Fünf Tipps zum Vorlesen bei Menschen mit Demenz
1. Wähle spezielle Vorlesegeschichten für Menschen mit Demenz.
Diese sind auf deren Bedürfnisse zugeschnitten.
2. Lies besonders langsam und achte auf ausreichend Lesepausen.
Menschen mit Demenz brauchen mehr Zeit, um Inhalte aufzunehmen und zu verarbeiten.
3. Sprich laut, klar und deutlich.
Damit auch Menschen mit Hörproblemen dich verstehen können.
4. Die Vorlesezeit sollte 5-10 Minuten nicht überschreiten.
Denn die Demenz geht mit einer reduzierten Konzentrationsfähigkeit einher.
5. Sprich im Anschluss über das Vorgelesene.
Das weckt Erinnerungen an eigene Erlebnisse und klappt am besten mit biografieorientierten Fragen.
Lesetipps
Doch wie geht die Geschichte über Omas Schulweg wohl weiter? Was werden Clara und ihre Enkeltochter Spannendes auf dem früheren Schulweg erleben? Das erfährst du in:
Annette Weber: 5-Minuten-Vorlesegeschichten für Menschen mit Demenz. Amüsante Familiengeschichten. 128 S., A5, Verlag an der Ruhr, ISBN: 978-3-8346-4131-1; 9,99 €. Inkl. anschließender Fragen zu jeder Geschichte sowie kleinen Aktivierungsideen – zum Anknüpfen und Vertiefen.
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